Der Mummenschanz in den Exquisiten Lektüren

Frank Duwald, den ich zu Beginn des Phantastikon-Magazins 2015 kennenlernte (und der auch einige Texte zu Beginn beisteuerte), hat sich immer schon als Leser positioniert, der das Besondere zu schätzen weiß; und damit ist vor allem eine Literatur gemeint, die man innerhalb unserer gleichgeschalteten Melasse immer schwieriger auffindet. Ich gebe es zu: ich war immer schon beunruhigt, wenn ich Wertschätzung erfuhr (das ging mir sogar bei meiner Frau so, es ging mir später bei Tobias Reckermann so, und es ging mir auch bei Silke Brandt nicht anders). Lady’s and Gentleman … ich bin Verhaltensgestört!

Dass Frank mich für seine EXQUISITEN LEKTÜREN ausgewählt hat (und ich Tatsächlich neben einer Gigantin wie Virginia Woolf dort Platz nehmen darf) ist tatsächlich ein freudiger Augenblick für mich. Man darf bei alledem wirklich nicht vergessen, dass ich ein aus der Welt Gefallener bin, der sich durchaus bewusst ist, wie sehr im Abseits er schreibt. Ich gebe Franks Text also hier wieder:

EXQUISITE LEKTÜREN

Michael Perkampus

MUMMENSCHANZ IN GROSSEN HALLEN (2020)

Wenn man eines bei der exquisiten Lektüre von MUMMENSCHANZ IN GROSSEN HALLEN direkt vergessen kann, dann ist es ein, wie ich finde, natürlicher Leserdrang, Geschichten, mit denen man einige Zeit verbringt – zu verstehen. Diesen einfachen Wunsch erfüllt uns Michael Perkampus in keiner der enthaltenen Geschichten. Aber, wie wichtig ist denn das Durchschauen von erzählender Literatur am Ende wirklich? Und wie wichtig ist es, wenn diese erzählende Literatur etwas in uns zum Klingen bringt, ohne, dass wir wirklich dahinter kommen, wie das dem Autor, dessen abseitiges Fantasie-Reservoir unermesslich zu sein scheint, gelingt?

Der Band gibt uns sieben Erzählungen, die bereits zwischen 2008 und 2019 in diversen Anthologien erschienen sind, sowie acht hier brandneu veröffentlichte. Es scheint mir unmöglich, daraus einzelne Texte herauszugreifen, da sie jeweils ein Bild ergeben, das sich auf das gesamte Buch umbrechen lässt. Was mir an erster Stelle das unbedingte Verlangen, Erklärungen zu erhalten, unwichtig werden lässt, ist die Art und Weise, wie Perkampus seine jenseits aller Klischees stattfindenden Ereignisse ausgibt. Mit einem sehr großen Wortschatz gesegnet, lässt Perkampus jeden Satz zu Musik erklingen. Um das zu erkennen, braucht man nur wahllos einzelne Sätze laut lesen, um zu spüren wie der Sprach-Rhythmus groovt. Perkampus nutzt Sprache wie begnadete Musiker ihre Instrumente. Und einen sehr guten Musiker erkennt man schon an seinen ersten Tönen – so auch Michael Perkampus. Ob mit der Realität unserer Zeit, mit manipulierter Historie, Schauerausbrüchen, sphärischer Phantastik oder gar Endzeit – er spielt mit jedem Thema so virtuos und macht es zu seinem eigenen, wie es nur ein Meister kann, wenngleich manchmal etwas mehr Herz das Ganze in meinen Augen nochmals steigern könnte. Zur noch intensiveren Wirkung empfehle ich, die Geschichten nicht hintereinander wegzulesen, sondern sich jeden Tag nur eine davon zu gönnen und sie zu genießen wie ein 5-Sterne-Essen.

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