Der kolossale Weltenschwund

Hinter den in Reih und Glied stehenden Mülleimern zugte ein Schienenbus vorüber, knarzte bei quiekenden Fahrgeräuschen schwarzen Rauch in den wintergrauen Himmel, die Gesichter hinter den Scheiben kaum von Eisblüten zu unterscheiden. Geister, wir im Anorak mit Fellkapuze, abnehmbar.

Besungen habe ich – und hauchte damit ein dem Sang mein Leben, das ich selbst von ihm erfuhr; besungen habe ich all das, was ich erfuhr von meiner Selbst. Aus frischem Munde drangen Töne, drangen Noten, drangen Taten, frische Moritaten, den Bänkelsang stets eingeübt, jetzt virtuos ans Ohr gestellt.

Eine neue Tageszeit war angebrochen (mit erstaunlich viel Bewegungsfreiheit). Ich lehnte an der Brüstung meines Balkons, fühlte mich so groß wie der einzige Baum. In der Luft schwebten Paradiesgeister, betörten mit einer Sprache des lockenden und unerreichbaren Glücks, an dem der Mensch stirbt, wenn es nicht gemein, alltäglich, abgenutzt ist. Wer die Schönheit angeschaut hat mit Augen, ist dem Tode schon anheimgegeben. Ich war bereits homerischer Heros, die Hetäre Aspasia, der Kyniker Krates, war König und Bettler, Pferd, Dohle, Frosch und mehrmals ein Hahn.

Die Stadt in ihrer persönlichen Dämmerung bedeutet ein Grollen tief in ihrem Leib, nicht Engelscharen wie ein florierender Gedankenschimmer. Kein Wesen ist der Engel, aber ein Informatiker der Wunder, verwechselbar mit einem Kronleuchter, immunes Licht, von einem Lichtschalter umworben.

Dazwischen bleibt der Welten Pest, der Auswurf der Gezeiten.

Der Geborene bestimmt seine Verneinung selbst, seine Existenz ist ein Feuerball, rein, glühend, enorm. Anders jene, die auf den Küchenboden plumpsen, unbemerkt, bis zu diesem Zeitpunkt zwischen Waschzuber und Kernseife, speckigen Handtüchern und dampfenden Kesseln, ihr Herzstück. Der Hund riecht in der Ecke die gebrochenen Knochen des Fasans, den wir anfassen durften. Die Pfeife zwischen den ungekürzten Fingernägeln erzählt von Promenaden ostwärts. Die Soße bahnt sich den Weg das Bein hinab, als käme es darauf an, weißt du?

Alles, was jetzt gesagt wird, wird von Staubmilben umgesetzt, ihre Höhe ist unsere Höhe, ihr Sturz ist nichts im Vergleich zu all den Bittbriefen, ausgedacht am Herd, später im Herd. Die Schere ist da, schneidet die Nabelschnur, die jetzt wie ein Bandwurm aus ihrer Möse hängt, ab.

Der Vogel schreit gleich los, ohne dass es etwas bräuchte, wird von schwieligen Händen zum Baden ins Spülwasser geworfen, das Hack ins Ei, Paniermehl, Pfeffer, Salz, alles gut vermischt.

Weißt du denn schon, wo du draufgehen wirst?

Bevor du sein Haus betrittst, hast du ihm zu sagen, wo du draufgehen wirst. Sie wird wollen, dass man etwas auf dein Grab legen kann, einen Stein, den sie beim Flennen umklammern kann, wird wollen, dass man dich zugenäht betrachten kann, wiedererkennt. Wenn man die Würste zu heiß siedet, platzen sie in ihrem Darm.

Aus meinem Mund drangen Emissionen fremder Sterne, Röntgen- und Reflexionsnebel.

Sie erblickte sich selbst aus einer Muschel steigen, ganz ohne die unheilvollen Verwundungen, die ihre Knochen trugen, weiß wie das Gleisen eines umgestülpten Planeten. Der Puls des Atems erschuf sie neu. Sie erkannte den Zeitpunkt ihrer Niederlage. Meine Augen lagen verdreht in Höhlen der Verzückung, verschwommen hinter Wänden des Schlafs. Kollabierende Zeitsphären, flügelzerschnittene Luft, in einer Grube der Impressionen, Miasma aus Staub, Quirl aufschießender Sphären. Ich rannte durch Dornenfelder, Flügelschlag mit Weltenklang (wie frei die Täler), nebelrein; und alles ist als Spiel erdacht, und wo ich meine Kerze trage, pustet man sie aus.

Räume entstanden, radierten die Wirklichkeit hinfort.

Ich habe dich beobachtet, wie du mit nackten Füßen über die Totenschädel gingst. Die wenigsten zerbröckelten unter deiner nachtschattigen Gestalt. Die Vergangenheit erschien wie dein persönliches Parkett aus der Tiefe aller Erinnerung. Wo gehst du hin? Und warum diesen Weg?

Die Kreuzung ist um diese Uhrzeit leer. Keine Entscheidung, die zu dieser Stunde getroffen wird. Deine Balance ist der Ruhepol dieser Nacht, auch wenn du nicht weißt, dass ich dich sehen kann. Die Gitter der alten Schmiede sind verschlossen. Ich streife oft durch die verwegenen Viertel, nichts Natürliches findet sich hier. Die Gräber der aufgerissenen Straße erreichen die verlassene Vorstadt. Wenn ich dich anspreche, erwachst du. Wenn ich dich lasse, wird ein Fehltritt dich versinken lassen. Meine Kreuzung, meine Entscheidung.

Die neutralen Dinge können sich in furchterregende Dinge verwandeln. Ich ertrage kaum mein Älterwerden, auch wenn es sich nur im Spiegel abspielt; nur dann nicht, wenn ich die Brücke, das Schloss betrachte, und dich, wie du warst, wie du unverändert hinter meinen Lidern stehst. Dich durchlöchert keine Epoche, du existierst wie eine Fotografie, deine Haltung wird sich nie verändern, deine Stimme nicht; kein Haus, kein Garten. Ich kann die Obstbäume zählen, die Früchte auf dem warmen Gras. Ich dachte, ich schließe die Vorhänge, halte die Uhren an, verdecke die Spiegel und ziehe mich in mein Zimmer zurück. Der kolossale Weltenschwund ginge mich nichts an.

Jetzt aber bin ich hier. Vielleicht decken sich die Ereignisse nicht, vielleicht sind sie etwas durcheinandergewürfelt. Vor und zurück auf der Zeitskala, Alpha und Omega nur künstlich, der ewige Strom aus Einbildung und Erfindung.

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